Ortsgemeinde Wassenach
Einwohnerzahl, Stand 01.12.2023 |
1.300 |
Größe des Gemeindegebiets |
615 ha |
Wassenach hatte bereits vor mehr als 150 Jahren einen guten Ruf als Fremdenverkehrsort, ein Ansehen, das sich die Gemeinde bis heute bewahrt hat. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Nähe zum Laacher See mit seinem Naturschutzgebiet und zu der unmittelbar benachbarten Vulkanlandschaft. Die auch klimatisch ideale Lage des Ortes, inmitten grüner Fluren und Wälder, der dank einer Umgehungsstraße vom Verkehrslärm weitgehend verschont bleibt, wurde schon frühzeitig erkannt und animierte zu privaten wie öffentlichen Investitionen, die dem Wohnwert des Ortes zu Gute kamen und diesen für den Fremdenverkehr aufwerteten.
Eigeninitiativen der Wassenacher Bürger und der für die Gemeinde Verantwortlichen haben dazu geführt, dass die Ortschaft bei dem Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" hervorragende Plätze belegen konnte. Die weit und breit geschätzte Gastronomie, aber auch ein reges Vereinsleben und der Gemeinschaftssinn der Bevölkerung haben zu diesem positiven Erscheinungsbild Wassenachs beigetragen.
Für die vielfältigen Veranstaltungen der örtlichen Vereine bietet die kürzlich neu errichtete Klieburghalle beste Voraussetzungen; So werden jedes Jahr im Herbst Theateraufführungen von begeisterten Laienschauspielern bestritten.
Zu der gut ausgebauten Infrastruktur tragen auch die Grundschule und der Kindergarten bei. Daneben haben sich im Gewerbegebiet abseits des Ortskerns einige Betriebe angesiedelt, die früher überwiegend im Dorf ihren Standort hatten. So ergibt sich heute ein harmonisches Nebeneinander von erholsamem Wohnen und der Betriebsamkeit der vorwiegend handwerklich orientierten Kleinunternehmen. Die herausragende Sehenswürdigkeit des Ortes ist sicherlich das 1772 errichtete Burghaus, in dem heute eine der größten Sammlungen historischer Tasteninstrumente in Deutschland beheimatet ist. Die dort regelmäßig stattfindenden Vorführungen und Konzerte werden von Kennern und Liebhabern aus Nah und Fern geschätzt.
Wie die Wassenacher zu ihrem Spitznamen "die Klieburger" kamen
Über den Kartoffelanbau von Werner Müller
Der Kartoffelanbau in unserer Heimat begann mit zaghaften Versuchen in den Gärten der Herrschaften und der Klöster gegen Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts. In einer Schrift über die Familie von Kolb zu Wassenach, die Dr. Julius Wegeler um 1860 herausbrachte, lesen wir in einer Ernteübersicht aus dem Jahre 1705, dass 7,5 Malter Erbsen als Hauptnahrung dienen müssten, sollte de Kartoffelernte missraten, Dies kann als Beweis dafür herangezogen werden, dass es zu dieser Zeit bereits Kartoffelanbau in Wassenach gab. Mit der Verbreitung der Kartoffel wich auch der Hunger aus den Dörfern. Speziell in Wassenach geriet die Kartoffel sehr gut. Um zu verstehen, warum dies so war, muss man wissen, wie sich der Nährstoffbedarf der Kartoffel zusammensetzt und wie der Ackerboden beschaffen ist.
Die Kartoffel als stärkereiche Frucht benötigt zum Gedeihen viel Kali. Dieser Narretei ist von Natur aus in unseren leichten Vulkanböden in hohem Maße enthalten Den wenigen noch benötigten Stickstoff brachte man in Form von Stallmist und Jauche aufs Feld. Dies waren in Ermangelung mineralischer Dünger die einzigen Düngemittel neben etwas Asche oder Kalk. Mit Phosphorsäure konnte man damals nicht düngen, da man sie noch nicht kannte. Die Kartoffel nahm dies im Gegensatz zum Getreide aber nicht übel, da sie sehr wenig Phosphorsäure zum Gedeihen benötigt.
Wenn man dann noch bedenkt, dass bei der Kartoffel ein Ertrag von ca. 80 Zentner je Morgen erreicht wurde, wogegen man bei Roggen gerade auf acht Zentner kam, kann man sich vorstellen, wie schnell sich der Kartoffelanbau auch ohne Drängen durch die Obrigkeit verbreitete. Hinzu kam noch, dass die Abgabenordnung des 17, Jahrhunderts noch kein, Zehntabgabe auf die Kartoffel vorsah Dies änderte sich jedoch bald in der Abgabenordnung von 1732, die u.a. die Branntweinherstellung aus Kartoffel, verbot und bestimmte, dass eine Zehntabgabe darauf fällig war. Jetzt, nachdem die Kartoffel heimisch war, konnte, sich die Menschen das ganze Jahr über satt essen; schmeckte doch die Kartoffel gekocht oder gebraten, als Pellkartoffel oder als Salat. Mit einem Wort sie war zum Volksnahrungsmittel geworden. Ein einfaches Fischereispiel mag die Beliebtheit der Kartoffel noch verdeutlichen. Erntete man acht Zentner Roggen je Morgen, so bleiben nach Abzug des Mahllohnes und dar Klee nach ca. sechs Zentner Mehl übrig. Diese ergaben gebacken ca. 200 Brote unseres 1,5 Kilogramm Schwarzbrotes. Wie schnell waren diese 200 Brote bei meist zehn- oder mehrköpfigen Familien verbraucht? Die 80 Zentner Kartoffeln je Morgen reichten hingegen für das ganze Jahr und in Ergänzung beider Nahrungsmittel blieb sogar nach etwas zum Verkauf übrig.
Diesem Verkauf waren allerdings sehr enge Grenzen gesetzt. Ballungsgebiete, wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht. Auch besaß noch lange nicht jeder Bauer ein Fuhrwerk. Fahrten von mehr als zwei Stunde, kosteten mehr an Hufbeschlag und Wagenreifen als der Verkauf von Feldfrüchten einbrachte. Daher unterblieben solche Fahrten fast gänzlich, abgesehen von Fahrten zum Arzt, in die Apotheke oder zum Einkauf einiger Wirtschaftsgüter, die wenige Male im Jahr stattfanden. Mit Napoleon trat nun plötzlich eine große Änderung ein. Von einem Tag zum anderen war alles anders. Das Feudalsystem mit seinen vielen Abgaben und Hemmnissen wurde hinweggefegt. Etwa 40 Prozent der Ackerfläche, die vorher dem Adel oder der Kirche gehört hatten, wurden säkularisiert und an Private öffentlich verkauft. Die Schlagworte der französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" fanden ihren Weg bis an den Rhein.
Heiratswillige, die bisher eine Genehmigung des Grundherrn zur Heirat oder um Umzug in ein Nachbardorf haben mussten, konnte, sich frei belegen und heiraten, wen sie wollten. Dies hatte einen Anstieg der Bevölkerungszahlen zur Folge. Hatte Wassenach 1817 erst 379 Einwohner, so stieg die Zahl bis 1852 schon auf 556. Dieser allgemeine Bevölkerungsanstieg hatte auch einen Anstieg der Kartoffelanbauflächen zur Folge. Selbst Brachflächen, die bis dahin nur alle zwei bis drei Jahre bebaut worden waren, kamen jetzt unter den Pflug. Auch die Städte, in denen sich Industrie anzusiedeln begann wuchsen und konnten sich mit einem Mal nicht mehr aus ihrem näheren Umland versorgen. Sie waren jetzt auf die Zulieferung aus einem weiteren Umkreis angewiesen. Daher legten eines Tages im Herbst Schiffe in Brohl an, deren Eigner in die Dörfer kamen und Kartoffeln aufkauften. Mit Pferdefuhrwerken wurden die Kartoffeln nach Brohl geschafft und auf die Schiffe verladen. Jetzt, da sich ein Markt anbot, der die nicht zum eigenen Verzehr benötigten Kartoffelmengen abnahm, weitete sich der Kartoffelanbau auf Kosten des Getreideanbaus immer mehr aus.
Eine Umstellung der Verzehrgewohnheiten, wobei anstelle der Mehlspeise immer mehr die Kartoffel trat, förderte auch noch diese Entwicklung. Die Folge war ein Überstrapazieren der Böden und damit verbunden ein Rückgang der Erträge. Dies besserte sich erst, als man mit dem Anbau von Rotklee und Luzernen zur Stallfütterung des Viehs überging. Jetzt fielen größere Mengen Stallmist und Jauche an, die so nötig im Ackerbau gebraucht wurden.
Bei einer Ernteerhebung im Amt Burgbrohl aus dem Jahre 1851 wird die Kartoffelernte in Wassenach mit 2.400 Scheitel angegeben. Dies entspricht etwa 1.700 Zentnern. Bis zur Erhebung im Jahre 1855 stieg die Erntemenge schon auf 6.560 Scheffel. Dies waren etwa 4.600 Zentner die einen Erlös von 3.300 Reichstalern, nach heutiger Kaufkraft etwa 60.000 Mark. erbrachten. Allerdings so vermerkt Wegeler, kenne er keine Gemeinde in der Umgebung, die so viele Kartoffeln nach Auswärts verkaufe, wie gerade Wassenach. Wegeler schreibt in seinem Buch weiter, dass eine rätselhafte Krankheit die Kartoffel bei feuchtem und schwülwarmen Weder innerhalb von wenigen Tagen zum Absterben bringe. Um diese Verluste auszugleichen, habe man die Anbaufläche noch vergrößert. Heute wissen wir, dass es sich bei der Krankheit um die Krautfäule gehandelt hat. Dies war zum Teil eine Folge der Qualitätssteigerung. Auch heute können wir noch beobachten, dass eine Kartoffelsorte umso anfälliger für die Krautfäule ist, je höher die Geschmacks- und Kochqualität ist. Als Folge der Krautfäule, die in trockenen Jahren weniger auftrat als in feuchten, war der Ertrag 1861 auf 40 Zentner je Morgen gesunken. Um diese Zeit hatte man, im Gegensatz zu heute, noch keine speziellen Sortennamen. Man baute die Frühe Gelbe und als späte die Rote Rauhschalige an. Als neue mittelfrühe Sorte nennt Wegeler die Mittelfrühe Badische.
Um 1880 taucht als Kartoffelsorte die Klieburger auf. Es muss eine sehr gute, ertragreiche und widerstandsfähige Sorte gewesen sein, die in Wassenach in sehr großen Mengen und mit gutem Erfolg angebaut wurde. Der Absatz florierte, zumal mittlerweile die Eisenbahn im Rheintal einen Versand ab Bahnhof Brohl per Waggon ermöglichte und die Ballungsgebiete zwischen Rhein und Ruhr immer größere Mengen zur Versorgung der Bevölkerung benötigten. Durch den Kartoffelanbau kam ein gewisser Wohlstand nach Wassenach. in dieser Zeit wurde die Bausubstanz des gesamten Ortskerns erneuert Die Krotzenhäuser und -gehöfte sind heute noch beredte Zeugen dieser Zeit. Damals wurde in den Nachbardörfern etwas neidvoll der Spitzname vom "Wassenacher Klieburger" geschaffen.
Um 1900 baute man zwar noch Klieburger Kartoffeln an, aber ihre große Zeit war vorüber. Abbaukrankheiten, die auch die heutigen Sorten nach jahrelangem gutem Ertrag plötzlich befallen und vom Anbau verdrängen, brachten auch das Aus für die Klieburger. Andere Sorten wie Optodate Odenwälder Blaue oder Magnum Bonum bestimmten fortan bis nach dem 1. Weltkrieg das Kartoffelgeschäft. Nicht unerwähnt bleiben soll in dieser Chronologie der Hunger- oder Steckrübenwinter im Kriegsjahr 1917/18. Im totalverregneten Sommer 1917 war fast die gesamte Kartoffelernte in Deutschland von der Krautfäule vernichtet worden. Die wenigen geernteten Kartoffeln waren so stark mit Fäulnispilzen infiziert, dass bei Waggonversand durch die dichte Lagerung und die damit verbundene Erwärmung die Kartoffeln so stark in Fäulnis übergingen, dass am Bestimmungsbahnhof die Ladung meist ganz verdorben war. Nach dem 1. Weltkrieg machte die Sorte Industrie das Rennen, Als Oberländer Kartoffel genießt sie heute bei der älteren Generation noch einen legendären Ruf. Der Kartoffelanbau wuchs auch zu dieser Zeit, Durch den mittlerweile eingeführten Mineraldünger stieg der Ertrag je Morgen auf 150 bis 180 Zentner. Mit eigenen Arbeitskräften konnten diese Kartoffelmengen nicht mehr geerntet worden, da ja alles von Hand gegraben werden musste Zur Zeit der Kartoffelernte warb man deshalb von Mitte September bis Martini Tagelöhner, Männer und junge Frauen vom Hunsrück an, die für den Erlös eines Zentners Kartoffeln pro Tag bei der Kartoffelernte mithelfen. Nach einer Stagnation und sogar einem Rückgang des Kartoffelanbaus zur Zeit der Weltwirtschaftskrise stieg der Anbau in den Kriegsjahren wieder merklich an.
Die Sorte Ackersegen ist allen über 40jährigen noch ein Begriff. Ihre Ertragstreue und Resistenz gegen die Krautfäule waren auch Gründe dafür, dass in den Kriegs- und Nachkriegsjahren nicht roch mehr gehungert werden musste.
Mit der Währungsreform im Jahre 1948 wurde ein neues Kapitel in der Geschichte der Kartoffel eingeleitet. Durch einen langsamen Wandel der Verzehrgewohnheiten zu immer hochwertigeren und feineren Nahrungsmitteln ging von Jahr zu Jahr der Bedarf an Speisekartoffeln zurück.
Wurden 1948 noch fünf Zentner Kartoffeln pro Kopf und Jahr verzehrt, so ist diese Menge heute auf unter einen Zentner abgesunken. Der dadurch bedingte Preis verfall und der hohe Arbeitskräftebedarf zur Erntezeit mit nicht mehr zu realisierenden Lohnkosten ließ den Kartoffelanbau in Wassenach zur Bedeutungslosigkeit absinken. Heute deckt die Kartoffelanbaufläche in Wassenach kaum noch der Eigenbedarf des Ortes.
Als einziges aus der großen Pionierzeit des Kartoffelanbaus übrig geblieben ist der Spitzname vom "Wassenacher Klieburger". Die junge Generation weiß jedoch schon fast nichts mehr damit anzufangen, obwohl noch keine hundert Jahre seitdem vergangen sind. Zur Fastnachtszeit erklingt zwar lautstark der Schlachtruf "Klieburg Alaaf", aber das Bühnenbild zeigt eine Burg mit vierblättrigen Kleeblättern verziert, die eigentlich nichts mit dem Namen und der Sache zu tun haben.
Vielleicht malt man demnächst ein paar Kartoffeln dazu oder verschenkt symbolisch eine Kartoffel als Fastnachtsorden, um damit an die große Kartoffelzeit, die Klieburger Zeit, zu erinnern, damit sie nicht in Vergessenheit gerät.
Wassenach - Die Klieburger
Der Name "Klieburger" für die Wassenacher stammt also vom Kartoffelanbau vergangener Zeiten. Zwischenzeitlich hat der Name "Klieburg" in Wassenach aber noch viel mehr an Bedeutung gewonnen.
So wurde die neue Mehrzweckhalle, die es seit ca. 30 Jahren gibt, von Beginn an "Klieburghalle" getauft.
Von 2009 bis 2023 gab es einen Einkaufsmarkt für die Nahversorgung, der den Namen "Klieburg-Scheune" trug.
Die bekannte Künstlerin Beate Heinen hat noch vor 2000 den "Kleinen Klieburger" als Figur geschaffen, der sowohl auf einem Wandbild in der KiTa Pusteblume, als auch im Eingangsbereich der Grundschule auf einem Keramikbild zu sehen ist.
Im Dezember 2023 hat der Gemeinderat auf Antrag der Leitung der Grundschule und des Schulauschusses entschieden, dass die Grundschule in Zukunft "Grundschule Klieburg-Schule Wassenach" heißen soll.